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Die gute alte Zeit

In der Rückschau liegen die Ereignisse stets klar und strukturiert vor. Man erkennt, wie beiläufig, beinahe zwangsweise sich das Eine aus dem Anderen ergibt. Mitten aus dem Geschehen heraus, wenn noch alle Optionen offen scheinen, wenn man im Dschungel der täglich auf einen einprasselnden Informationen den Überblick verliert oder ihn gar nicht erst gewinnt, sieht es anders aus.

So schlimm wird’s schon nicht werden. Es gibt ja viele kluge Köpfe, die von der Sache überzeugt sind. Niemand möchte etwas Schlechtes, alle haben letztlich positive Motive, auch wenn mal jemand übers Ziel hinausschießt. Im Großen und Ganzen geht es uns ja immer noch sehr gut und wenn wir zusammenhalten, werden wir die Durststrecke überwinden und gestärkt aus der Situation hervorgehen.

Damals gab es noch dieses Urvertrauen. Ein Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, in Institutionen, die zwar durchaus ihre Fehler hatten, doch über Generationen Garant für Wohlstand und Frieden waren. Im Detail mochte vieles verbesserungswürdig sein, aber im Ganzen hatten wir ein starkes und stabiles System erschaffen, das der Welt mit Recht als Vorbild dienen konnte.

Wer nur in eine Richtung blickt ...

Eine Gefahr, so war man sich weitgehend einig, konnte allein von Rechts kommen. Dabei war den wenigsten genau klar, was mit „Rechts“ gemeint war. Man hatte eine diffuse Vorstellung von gewaltbereiten, glatzköpfigen Männern, stämmig und ungebildet, die in irgendeiner archaischen Weise vom Krieg träumten, einem Verbrecher namens „Hitler“ anhingen, der angeblich die ganze Welt mit Krieg überzogen hatte und unzählige Juden (was immer das für Menschen gewesen sein mögen) in großen Lagern vergast, also durch Gas getötet hatte.

Daneben gab es die „neue Rechte“. Das waren Menschen, die meist gepflegt und im Anzug auftraten, mit freundlichem Gesicht und wohl klingenden Worten die Einfältigen hinter sich versammelten, die Zurückgebliebenen, die in der Gesellschaft nicht richtig hatten fußfassen können, darunter wohl vor allem auch die „Rechten“, oder Nazis, wie sie oft genannt wurden.

Das Ziel der „neuen Rechten“ (oder der Rechten überhaupt) war vor allem Machtgewinn und Geld. Dazu war ihnen jedes Mittel recht, insbesondere die Spaltung der Gesellschaft. Für ihre Anhänger zeichneten sie ein romantisiertes Bild der Vergangenheit, in der angeblich alles besser war, und transportierten damit Vorstellungen von Rassismus, Ausgrenzung und einem elitären Denken, nach dem sie sich für etwas Besseres hielten.

... verliert das Gespür für die wirkliche Gefahr

Dem stand der aufgeklärte „Mainstream“ gegenüber. Sozial engagiert, kultiviert und als Leistungsträger stets bereit, über die Maßen hinaus auch andere am Erfolg teilhaben zu lassen. Uns ging es gut. Vielleicht nicht mehr so gut wie unseren Eltern, aber wir konnten Reisen, unsre Arbeit frei wählen, wir fuhren spontan mit dem Auto, wann und wohin wir wollten, machten Ausflüge, hatten ausreichend freie Zeit für den Besuch von Konzerten, Museen, Galerien oder Freizeitparks. Wir konnten sogar unsren Wohnort selbst auswählen, Grundstücke erwerben und Häuser darauf erbauen oder wenn es uns danach war, einfach eine Stadtwohnung beziehen.

Unter Eigentum wurde damals ein Besitz verstanden, über den man eigenständig verfügen konnte und auf den weder Staat, noch Hersteller oder Provider Zugriff hatte. Man konnte Fahrzeuge kaufen, ohne einen Bedarf nachweisen zu müssen, Filme, Musik oder auch Bücher hatte man auf eigenen Datenträgern im Regal stehen, so dass man sicher sein konnte, dass sie keinen neuen Erkenntnissen angepasst werden. Kam eine neue Version heraus, musste man diese neu erwerben, was aber nicht als Manko empfunden wurden, im Gegenteil: Man wollte selbst über Aktualisierungen entscheiden.

Auch wenn es heute oft anders erzählt wird, im Großen und Ganzen verlief das Leben friedlich. Man konnte ohne Angst auf die Straße hinaus und in die Zentren der Städte zum Einkaufen oder „Sightseeing“. Menschen wanderten oft tagelang durch Wälder und Gebirge oder sie befuhren das Land kreuz und quer mit dem Fahrrad. Die in Filmen so oft gezeigten Gewalttaten hatten mit dem tatsächlichen Leben nichts gemein. Das war Fiktion, zur Entspannung und vielleicht eben gerade auch aufgrund fehlender persönlicher Erfahrung von Mord und Totschlag im Alltag so attraktiv.

Sicherheit statt Freiheit

Heute ist ein solches Leben schwer vorzustellen. Auch wenn man dem Staat grundsätzlich wohlwollend gegenüber stand, so gab es doch eine heute nicht mehr nachvollziehbare Distanz. Es fand eine Abgrenzung statt. Staatliche Stellen wurden als ein Gegenüber wahrgenommen und Grundrechte wurden teilweise gar als Abwehrrechte verstanden. Sicher, die Dienstleistungen waren damals noch nicht auf heutigem Niveau. Vieles, was uns mittlerweile selbstverständlich scheint, musste auf komplizierten Wegen beantragt werden und nicht immer verlief alles reibungslos. So bekam die Steuerbehörde Ein- und Ausgaben noch nicht automatisch mitgeteilt, was zu aufwändigen Erklärungen führte, es gab kein Tracking der Personen, so dass der Staat oft gar nicht wusste, wer sich wann und wo aufgehalten hatte. Auch im Gesundheitswesen gab es große Unwägbarkeiten, da die Lebensumstände und Ernährungsgewohnheiten den Ärzten meist unbekannt waren und von Patienten auch nicht immer ehrlich kommuniziert wurden.

Doch muss ich gestehen, trotz allen Komforts, trotz der modernen Annehmlichkeiten, und der überwältigenden Fürsorge, wenn ich an meine Jugend denke, werde ich melancholisch. Ich habe mich wohler gefühlt, in einer weniger perfekten Welt, in der eine Flucht nach draußen möglich war und in der ich selbst noch etwas aufbauen konnte und nicht bloß aus Optionen wählen durfte.

Einmal angekommen ...

Einen Weg zurück aber, das musste ich schon vor langem feststellen, wird es für meine und wohl auch für die zukünftige Generation nicht mehr geben. Das System wird nicht zusammenbrechen und es wird auch keiner aufstehen. Natürlich hört man immer wieder Meldungen über die sogenannten Querdenker, die anscheinend irgendwo Anschläge planen, doch erinnert mich das zu sehr an ein Buch, das ich in meiner Jugend gelesen hatte und das heute leider nicht mehr verfügbar ist: 1984.

Mittlerweile bin ich alt geworden. Alt und gesund und ich habe Angst. Ich komme langsam an, in dem Alter, in dem die meisten Menschen von der Bildfläche verschwinden. Offiziell nimmt niemand dazu Stellung, doch es ist ein offenes Geheimnis, dass Menschen immer wieder aussortiert werden, und mit steigendem Alter steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass es einen selbst betrifft.

Mein Scoring ist noch durchaus akzeptabel, so dass ich mir wohl keine unmittelbaren Sorgen machen muss, doch gibt es immer wieder Gerüchte, wie vor drei Jahren, als ganz offensichtlich viele auch junge und gesunde Menschen verschwanden, dass es teilweise zu systembedingten Bereinigungen kommt, beispielsweise um Hungersnöte zu vertuschen. Dies sei aber nur mit äußerstem Vorbehalt angemerkt, da sich die Nähe zu derartigen „Verschwörungstheorien“ schnell auch auf den eigenen Score auswirken kann.

... gibt es kein Zurück

Hätte es auch anders laufen können, das frage ich mich immer häufiger.

Ich glaube nicht. Man hatte es geschafft, einer großen Anzahl von Menschen Angst zu machen, und ihnen dann eine vermeintliche Lösung angeboten. Das Wunder ist viel mehr, dass es nach den Erfahrungen aus der ersten Hälfte des 20. Jhdt. noch so lange gedauert hat, bis das passende Druckmittel gefunden wurde. Dabei war es doch eigentlich nicht schwer. Eine persönliche Erkrankung aus der Familie der Grippeviren, so etwas kann jederzeit jeden treffen. Natürlich ist das weitaus effektiver als entfernte Weltuntergangsszenarien zu beschwören.

War der erste Schritt getan, hatte man die Bevölkerung im großen Stil in einen Zustand der Erregung versetzt, so konnte der Erlass von Notstandsgesetzen folgen. Alles Weitere lief dann so gut wie von alleine. Schrittweise wurden Freiheiten für scheinbare Sicherheit getauscht, ein Nachweis der Effektivität brauchte nicht geführt zu werden, da allein genügend Verängstigte und Nutznießer der Situation an Schlüsselpositionen saßen. Wo an der einen oder anderen Stelle doch ein wenig Widerstand aufkam, wurde teilweise und für kurze Zeit zurückgerudert. Sobald sich die Situation wieder beruhigt hatte, wurde dann mit stärkeren Maßnahmen, meist ohne Widerspruch, fortgefahren.

Ausbau und Sicherung

Nun musste der Zustand der Erregung zur Erhaltung der Notsandsregelung möglichst lange aufrecht erhalten werden. Auf diese Weise trat Gewöhnung ein und es wurde einfacher, wesentliche Teile der vorübergehenden Verordnung in reguläre Gesetze zu überführen.

Besonders aufgrund des üppig besetzten Staatswesens konnte man auf eine breite Front an Mitstreitern setzen, zumal große Wirtschaftszweige mit Subventionen und Aufträgen versehen werden konnten. Auch selbst verfügte der Staat über einen großen Stab an Mitarbeitern und Zuträgern, die letztlich alle um ihre Existenz bangen mussten, wenn sie nicht mitspielen, die ihre teils über Jahrzehnte aufgebaute Lebensperspektive, ihre Ausbildung und Zukunft zusammenbrechen sahen, wenn sie nicht klaglos mitgezogen hätten.

Die Weichen waren also gestellt. Nicht nur die Pharma-, Transport- und Elektronikindustrie, auch zahlreiche andere Branchen mit ihren Zulieferern wurden durch staatliche Gelder gefügig gemacht. Hinzu gesellte sich das Personal der großen Leitmedien und staatlichen Institutionen. Wo sollte sich da noch ein wirkungsvoller Widerstand erheben? Mit mehr Geschick, als man es den Protagonisten zugetraut hätte, immer einen großen Schritt vor und dann wieder zwei sehr kleine zurück, hat es nicht einmal ganze zehn Jahre gedauert, bis keiner mehr von einer „neuen“ Normalität sprach.

Notzustand folgte auf Notzustand, großflächige Stromausfälle, sogenannte Blackouts, Energie- und Umweltkrisen machten es für jeden deutlich, dass es nicht beliebig lange wie gewohnt weitergehen konnte. Wo genau die Anfänge unsrer Weltrepublik lagen, ob es tatsächlich erst mit dem Virus begann oder mit der Übernahme ganzer Regierungen durch private Investoren, man kann es nicht genau erkennen. Der Prozess war schleichend, langsam aber stetig zog sich die Schlinge enger und enger um die damals noch teilweise freien Länder. Heute ist das alles befriedet und im besten Sinne geregelt. Für uns alle und die zukünftigen Generationen.

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