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Der Ruf nach Basisdemokratie wird immer lauter, auch wenn politische Institutionen schon längst nicht mehr über die Zukunft der westlichen Welt entscheiden. Das Geschick unserer Länder wurde bereits vor langem in die Hände einiger weniger Organisationen gelegt und während sich am Horizont die Schlacht der Giganten abspielt, zwischen Handelszonen, neuen Wirtschaftsmächten und global agierenden Finanzmärkten, begnügen wir uns mit Debatten über eine Scheindemokratie, deren Auftreten bestenfalls folkloristische Gemüter bewegt.

 

Der Rechtsstaat

 

Dabei kann uns das politische System, unter dem wir verwaltet werden und welches uns als Garant für Sicherheit und Ordnung zur Verfügung steht, mehr oder weniger egal sein. Rechtsstaatlichkeit ist das Stichwort, um das es gehen sollte. Rechtsstaatlichkeit darf nicht verhandelbar sein, die unterschiedlichen Systeme zur Verwaltung unser Volkswirtschaften, sind hingegen austauschbar.

Gleichheit vor dem Gesetz

Ausgangspunkt einer jeglichen juristischen Ordnung ist der Mensch. Mit Fug und Recht kann von der christlich-abendländischen Kultur gesagt werden, dass sie die bislang Einzige ist, deren Bezugspunkt in keiner Weise eingegrenzt ist, sondern die sich an jeden einzelnen Menschen wendet, selbst an feindlich gesonnene. Menschenrechte sind universal. Man erwirbt sie nicht, man kann sie nicht verlieren, kein Mensch, keine Gruppe und kein Staat befindet sich in Besitz einer Verfügungsgewalt über einzelne Personen, so die Theorie.

Die Gleichheit in einem Rechtsstaat muss dem entsprechen. Es darf nicht sein, dass jemand aufgrund finanzieller Möglichkeiten, aufgrund besserer Vernetzung, allgemeiner Bekanntheit oder weil er im Auftrag eines Staates, einer Firma oder sonstigen Organisation handelt, eher Recht zugesprochen bekommt, als jemand anderer. Wo dies geschieht, sind rechtsstaatliche Mechanismen defekt.

Pacta sunt servanda

An einen Vertrag, auch wenn er nur mündlich zugesagt wurde, hat man sich bis zur definierten Auflösung zu halten. Vertrauen, insbesondere unter ungleichen Partnern, ist für die Stabilität eines Rechtssystems unabdingbar. Wer seine Verpflichtungen nicht erfüllt, dies aber beim anderen zwingend erwartet, hält vermutlich das Recht des Stärkeren für eine ausreichende Vertragsbasis.

Das betrifft Einzelpersonen, Firmen und deren Partner oder Kunden sowie Länderebene und erst Recht das Verhältnis von Regierungen zu ihren Bürgern. Gerade Staaten sollten nicht aufgrund eines gut gemeinten, weit gesteckten Zieles oder weil sie sich schlicht übernommen haben, Bedingungen ändern. Tun sie das, verlieren sie ihren Status als Rechtsstaat und mischen sich damit unter die unberechenbaren und oftmals korrupten Regime.

Rückwirkende Verpflichtungen

Neue Herausforderungen können zu neuen Gesetzen und Verordnungen führen. Auch kann es sein, dass überholte Regelungen angepasst werden müssen. In einem funktionierenden Rechtsstaat sind alle Regelungen transparent, man muss also zum Zeitpunkt einer Handlung wissen, ob sie erlaubt ist, oder nicht. Ein nachträgliches Ändern in der Bewertung darf nie dazu führen, dass Aktivitäten, die in der Vergangenheit erlaubt waren, nach Eintreten eines Verbotes rückwirkend bestraft werden.

Wo dies dennoch geschieht, besteht keine Rechtssicherheit. In Konsequenz darf diese dann auch für jene nicht gelten, die derartige Beschlüsse fassen – also Beamte und Regierungsvertreter. Wenn also das Durchsetzen offenkundig rechtswidriger Beschlüsse zukünftig vielleicht einmal aufgearbeitet wird, vielleicht dann auch rückwirkend für Täter, die sich derzeit aufgrund ihres Status für unangreifbar halten.

Transparenz

Grundsätzlich muss jedes Gesetz, jede Verordnung und jede daraus ableitbare Sanktionierung für den Beschuldigten transparent sein. Es darf nicht im Nachhinein und abhängig vom jeweiligen Sachbearbeiter entschieden werden, in welchem Maße ein Verhalten toleriert wird, ob es angemahnt oder gar mit Strafen belegt wird, die geeignet sind, Existenzen zu zerstören.

Zur Transparenz eines juristischen Verfahrens gehört es, dass man für ein und dieselbe Sache nicht mehrfach belangt werden darf. Das wusste bereits die katholische Inquisition. Bei einem regelmäßig wiederkehrenden Verhalten darf ferner keine Häufung angedrohter Sanktionen stattfinden, zumindest bis die Streitigkeit nicht gerichtlich geklärt ist. Es kann nicht sein, dass man während eines laufenden Prozesses vor die Wahl gestellt wird, entweder den Klageweg abzubrechen und die bis dahin angedrohten Repressalien zu akzeptieren, oder aber den Klageweg weiter zu beschreiten und damit das Risiko hoher Strafen zu steigern.

Gerade bei Unklarheiten, bei rechtlich unterschiedlichen Auffassungen zwischen Staat und Bürger, darf die Exekutive eines Rechtsstaats der Judikative nicht vorgreifen. Vor Gericht haben Bürger und Regierungsapparat in exakt derselben Weise behandelt zu werden. Ein Ungleichgewicht darf es, wenn überhaupt am ehesten noch zu Lasten des Staates geben, denn Rechte sind immer auch Abwehr- oder Schutzrechte des Schwächeren gegen den Stärkeren.

Verordnungsstaat


Wo dem Staat rechtliche Prozesse, von der Konzeption über das Beschaffen von Mehrheiten bis hin zur Umsetzung von Gesetzen, zu langwierig, kompliziert und unflexibel vorkommen, greift er zu Verordnungen. Eine Verordnung ist schnell erlassen und bis jemand erfolgreich gegen sie geklagt hat, ist sie vielleicht auch wieder vom Tisch, denn oftmals erreicht sie durch Abschreckung oder einen Gewöhnungseffekt ihr Ziel kurzfristig. Bei Bedarf wird sie dann fallengelassen oder leicht modifiziert als neue Vorschrift erneut ins Rennen geschickt.

Dabei umgehen Verordnungen die „Erste Gewalt“, also die Legislative und werden direkt von der Exekutive erlassen und vollstreckt. Der rechtliche Weg gestaltet sich unter Umständen schwierig, ohne Anwalt und wohlwollende Gerichte kann es schnell geschehen, dass man tausende von Euros zahlen oder zumindest erst einmal vorstecken muss. Auf Basis von Ordnungswidrigkeiten können Bußgelder von bis zu 50.000 Euro (je nach Laune eines Sachbearbeiters auch darüber hinaus), sowie Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren verhängt werden.

Verhältnismäßigkeit

Insbesondere seit Inkrafttreten der Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus wurde das Regieren durch Verordnungen im großen Stil angegangen. Dabei wurden nicht immer neue Regeln ersonnen, sondern teilweise auch bestehende Regeln verstärkt angewandt, indem sowohl die Höhe der Bußgelder unverhältnismäßig anstieg, oder auch nur sehr oberflächliche Einzelfallprüfungen durchgeführt wurden. Primäres Ziel scheint es zu sein, eine möglichst effektive Drohkulisse gegen jene aufzubauen, die politisch bekämpft werden sollen.

Sollte sich der Verdacht erhärten, dass aus politisch motivierten Gründen an Gesetzen vorbei Druck aufgebaut werden sollte, wäre zu prüfen, ob die entsprechenden Sachbearbeiter nicht mit einem Disziplinarverfahren belegt werden können.

Ganz prinzipiell sollte ein Rechtfertigungszwang bestehen, wenn Beamte Regelungen heute anders auslegen als gestern. Im Sinne der Transparenz muss die Bemessung von Sanktionen einheitlich und nachvollziehbar geschehen. Wurden die ausführenden Organe angewiesen, in bestimmten Gebieten härter durchzugreifen? Existieren Tabellen oder ähnliche interne Regelungen die eine Gleichbehandlung garantieren sollen, oder liegt es frei an der Einschätzung des Sachbearbeiters, ob er eine Strafe verhängt und wenn ja, welche?

Wie kann es sein, dass man durch Umzug in einen anderen Landkreis oder gar ein anderes Bundesland völlig andere Rechtsverhältnisse vorfindet? Warum geht an einem Ort jemand in Bezug auf denselben Sachverhalt straffrei aus, während anderswo Forderungen von mehreren zehntausend Euros drohen?

Auch stellt sich bei vielen Forderungen die Frage, wie oft und in welchem Turnus man zur Kasse gebeten wird. Wie wird es beispielsweise beim geplanten Corona-Impfzwang sein: Kann man täglich, wöchentlich, monatlich, quartalsweise oder einfach nur nach (mehr oder weniger) zufälligen Prüfungen belangt werden, wenn man die Impfung verweigert?

Am Beispiel des Testzwangs in der Schule

Wenn ein Kind nicht regelmäßig und symptomlos auf Covid getestet wird, darf es Schulen derzeit nicht betreten. Anfangs gab es für diese Fälle das offizielle Angebot des Distanzunterrichts, heute wird dieser nur noch von einigen Schulen angeboten – doch ganz unabhängig davon, Schüler, die nicht am Präsenzunterricht teilnehmen, werden nicht benotet und die Schule quittiert den Unterricht außerhalb ihrer Mauern als unentschuldigtes Fernbleiben.

Nun möchte man meinen, das Vergehen der Eltern sei nicht allzu schlimm, sie wollen das Kind ja zur Schule schicken, nur lehnt eben die Schule den Präsenzunterricht ab. Genau genommen ist dies ja kein Versäumnis der Eltern, sondern eher eines der Schule, denn diese kommt der Unterrichtspflicht, welche die Kehrseite der Schulpflicht ist, nicht vollumfänglich nach. Entweder, weil sie keinen Distanzunterricht anbietet, obwohl sie Kinder nicht ins Gebäude lässt, oder eben, weil sie die Kinder nicht benotet.

Das Schulamt kann nun, je nach Gusto, in Abständen, die es selbst festlegt, das Fehlen der Kinder anmahnen und die Eltern gleich mit zweierlei Arten von finanziellen Forderungen konfrontieren: Ordnungsgeld und Zwangsgeld.

Dass das Amt sich hier nicht entscheiden muss, sondern sowohl Zwangsgeld in der Angelegenheit verhängen darf, damit die Eltern Sorge tragen, dass die Kinder zukünftig wieder am Präsenzunterricht teilnehmen werden, als auch Bußgeld in derselben Sache einfordern darf, um den nicht erfolgten Schulbesuch zu ahnden, ist eigentlich schon ein Skandal für sich.

Bei Eltern mit zwei schulpflichtigen Kindern kann sich das schnell häufen, wenn z.B. monatlich pro Kind und Elternteil 800 EUR Bußgeld und 1500 EUR Zwangsgeld zu erwarten sind. Also monatlich (oder welchen Zeitraum sich der entsprechende Sachbearbeiter überlegt hat) über 9000 EUR!

Wie soll man da als Eltern verfahren, wenn die Kinder Angst vor den Tests haben, weil sich in ihren Kreisen bereits herumgesprochen hat, dass sich andere nach den Tests übergeben, dass vom Nasenbluten rote Tücher zuhauf in der Schülertoilette zu finden sind und Ähnliches. Der Staat erwartet hier elterliche Zwangsmaßnahmen, für die er anderseits Familien mit dem Jugendamt drohen würde.

Dabei stoppt die Kumulierung der Zwangs- und Bußgelder nicht einmal, wenn man gerichtlich Einspruch erhebt. Eigentlich möchte man denken, dass während eines Rechtsstreits, bis zum Entscheid, eine weitere Erhöhung der angedrohten Gelder ausgesetzt würde.

Betroffenen bleibt also, wenn sie einmal in die Fänge der Exekutive geraten sind, nur die Wahl, entweder auf die juristische Prüfung zu verzichten und die geforderten bis dahin aufgelaufenen Beträge zu realisieren, oder aber während eines langwierigen Prozesses das Anwachsen der Forderungen zu betrachten – von Anwalts- und Gerichtskosten ganz zu schweigen, ohne irgendeine Sicherheit in Bezug auf den Ausgang des Verfahrens.

Rechtsstaatlich ist das nicht. Es wird die Gewaltenteilung im großen Stil ausgesetzt, es werden Bürger bedroht, die nach bestem Gewissen mit sehr viel Leidenschaft und Mehraufwand ihre Kinder unterrichten, weil der Staat ihnen das versagt. Einfachen Beamten wird ein Machtinstrument in die Hände gegeben, Bürgern gegenüber einen schier unbegrenzten Druck aufzubauen den diese im konkreten Fall mit der Schule an ihre Kinder weitergeben sollen.

Wer sich an einem solchen System beteiligt, muss für die Folgen persönlich verantwortlich gemacht werden. Es bedarf einer dringenden und übergreifenden juristischen Aufarbeitung, wenn dieser Verordnungsstaat jemals wieder zum Rechtsstaat zurückfinden soll.

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