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Nun schon im zweiten Jahr wird dem Neujahrsschießen ein Riegel vorgeschoben. Leuchtraketen, Böller und ähnliche Ausrüstung darf nicht verkauft werden, Veranstaltungen sind auf zehn Personen begrenzt. Was das mit Gesundheitsvorsorge zu tun hat, bleibt weitgehend offen.

Der Umwelt zuliebe

Natürlich. Massenveranstaltungen sind auch immer Orte der Krankheitsübertragung. Genauso aber auch der Stärkung des Immunsystems, könnte man sagen. Schwamm drüber. Es gibt ja durchaus Massenveranstaltungen – wenn sie denn politisch genehm sind. So erinnern wir uns noch gut an die ein oder andere Parade im letzten Jahr, die überhaupt kein Problem zu sein schien.

Böllern aber ist etwas anderes. Es geht ja um viel mehr. Um die Umwelt zum Beispiel. Und da treffen wir wohl eher ins Schwarze. Es drängt sich der Eindruck auf, dass gerade die Sylvestertradition als Sprungbrett genutzt wird, um auszutesten, wie weit die Verordnungen, die im Zuge der Seuchenbekämpfung breit eingeführt wurden, auch auf das Klima- und Umweltnarrativ angewendet werden können.

Kaum Einwände zu erwarten

Und großer Widerspruch scheint sich auch nicht zu regen. Das ist verständlich, und zwar aus zweierlei Gründen: Wer möchte sich schon gern als Böller- und Partyfan profilieren? Die Erwiderungen kann man sich lebhaft vorstellen. Da ist es doch deutlich bequemer, eine kleine Feier im Privaten zu planen und das laute Auftreten anderen zu überlassen.

Zum Zweiten ist der Zeitplan perfekt gewählt. Das alles beherrschende Widerspruchsthema ist derzeit der Impfzwang, insbesondere für Pflegekräfte und Ärzte. Natürlich ist das ein Thema, das persönlich nahe geht und hinter dem ein Feuerwerk zum Jahresende berechtigt zurücktritt.

Demontage nicht ohne Folgen

Dennoch werden auch hier Fakten geschaffen. Die ansässigen Firmen, die das Equipment bereitstellen, haben im letzten Jahr schon arg gekämpft und werden ein weiteres Jahr ohne nennenswerten Umsatz kaum überleben. Sollte man die Tradition doch einmal wieder beleben wollen, wird China sicher gern als neuer Partner zur Verfügung stehen.

Doch nicht nur Arbeitsplätze sind gefährdet, letztlich verschwindet eine vielen Menschen lieb gewordene Tradition, in der ein Element der Gemeinschaft, der Nachbarschaft und des miteinander Feierns verloren geht, was besonders in einer Zeit der Spaltung ein großer Verlust ist.

Also auch hier der Rückzug ins Biedermeier?

Vermutlich wird sich nicht viel tun. Menschen werden sich zur Jahreswende hinter einem Fonduetopf im trauten Kreis der engeren Familie versammeln und von früheren Zeiten schwärmen, als die Welt noch in Ordnung war. Man wird von den Erlebnissen und Heldentaten berichten, wie man die Raketen noch aus der Hand gezündet hat, als sie sich im Zaun des Nachbarn verfangen hatte und auf welchen geheimen Wegen man schon damals illegale und brandgefährliche Sprengsätze  besorgen konnte.

Insbesondere Tierliebhaber werden wenig vermissen, sie werden vielleicht einwerfen, dass es gerade für Haustiere kein guter Brauch war und es durchaus auch Vorteile habe, die Jahreswende ruhig zu begehen – doch wie schon heute werden diese Stimmen kaum den Ton angeben. Zumindest kann man das vermuten.

Oder doch lieber die Flucht nach vorne ...

Vielleicht aber könnte auch der ein oder andere Schützenverein auf eine Marktlücke treffen. Feuerwerkzeug zu besorgen ist ja nicht erlaubt – die Ausrüstung zum Böllern aber, vor allem auf dem Boden des deutschen Vereinswesens, hat eine andere Lobby.

Es wird sich sicher an vielen Orten in alten Sagen und Überlieferungen noch der eine oder andere Hinweis auf den Dreißigjährigen Krieg finden, von halb vergessenen ruhmreichen Schlachten und ähnlichen lokale Geschehnissen überragender Tragweite. Warum also sollte man nicht auch auf die leider verlorengegangene, aber "bis A.D. 1823 ganz sicher belegte Tradition" hinweisen, nach der ein Böllerschießen zur Jahreswende geradezu ein Muss ist, wenn man auch nur einen Restbestand an Kultur im Herzen mit sich trägt.

Ob man also resignierend auf seiner Bude zu hocken gedenkt oder mit gegebenen Möglichkeiten die Flucht nach vorne wagt, ist wie eh und je der Kreativität und Findigkeit derer geschuldet, die sich mit einer gegebenen Situation nicht abzufinden bereit sind. In diesem Sinne wünsche ich schon jetzt ein inspirierendes und erfindungsreiches Jahr 2022. Wir werden es brauchen.

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